Beschreibung

Albert Hinrich Burmeister und die neue Kirchenausstattung

Was die Ausstattung betrifft, so sah man sich erklärlicherweise zur Sparsamkeit veranlaßt. Man hatte bei mancherlei wohlhabenden Leuten 14700 Mark angeliehen, und man konnte wohl nicht voraussehen, daß man 2 Jahre später durch günstige Versteigerung der Kirchensitze das meiste wieder hereinbringen werde. Herr Schott war so freundlich, der Kirchengemeinde Rat und Beistand zu leisten. Als der Baumeister Tewes Tewes von Behmhusen, „bei der Kirche“, ihm am 5. September 1739 den von Kirchspielvogt und Gevollmächtigten unterschriebenen Vertrag überbracht hatte, fuhren die beiden folgenden Tages nach Tönning und ließen sich dort die wohl schon stillgelegte Garnisonkirche öffnen, um Altar und Kanzel zu besehen. Der Besuch konnte nur den Sinn haben, die preiswerte Erwerbung der beiden Stücke ins Auge zu fassen. Aber aus irgend einem Grunde wurde nichts daraus; der Altar, aus der Werkstatt des Kieler Hofbildhauers Theodor Allers, und zweifellos etwas Besseres als das, was die Eddelaker nachher bekamen, ging ein paar Jahre später nach Tellingstedt. Am nächsten Tage ritt Tewes Tewes von Heide nach Wesselburen, um dort mit dem Herrn Burmeister zu sprechen, „wegen des Altar zu machen, daß er sollte selbst rüberkommen oder mir den genauesten Preis mitgeben“. Und dieses Geschäft wurde richtig; Burmeister lieferte für 500 Reichstaler = 1500 Mark den großen Eddelaker Kanzelaltar.

Albert Hinrich Burmeister (auch Burmester geschrieben) wird Tischler und Bildhauer genannt. Um 1683 geboren, ist er schon 1720, von Hamburg kommend, in Wesselburen ansässig, heiratet 1732 zum zweiten Mal und stirbt dort 1760 in Armut. In der alten Wesselburener Kirche erbaute er 1724 den Singechor und staffierte (bemalte) den mittelalterlichen „großen Christoffer“. Für Büsum mag er den Altar mit seinen schlechten Figuren, der von 1724 stammen soll, geliefert haben; bei der Ausstattung der neuen Kirche in Wesselburen hat sich seine Mitarbeit, die vorauszusetzen, bisher aber nicht sicher bezeugt ist, augenscheinlich auf reine Tischlerei beschränkt. „Daß Altar und die Cantzel“ für Eddelak wurden im September 1740 von Wesselburen abgeholt, was 2 Tage dauerte. Der „Altarmacher“ und seine beiden Gesellen kamen natürlich mit und wurden für 8 Tage beherbergt und bespeist, um das Gebäude aufzustellen; auch erhielten die Gesellen gleich das ihnen zustehende Trinkgeld, zusammen 3 Mark. Über das Gestühl, für das eine (verloren gegangene) Sonderrechnung geführt worden sein wird, fehlen die Belege, doch ist anzunehmen, daß Burmeister wenigstens für den Entwurf einer einheitlichen und auf den Altar ausgerichteten Durchgestaltung beschäftigt wurde; das gilt namentlich für die Bühnen und die geschlossenen Gestühle, den Stuhl des Kirchspielvogts unter dem Singechor und die „Beichtstühle“ und die „hohen Stühle“ darüber neben dem Altar. Ein Taufdeckel wird zu den in der Bauzeit erwähnten „annoch zu gebenden Zierahten“, also Stiftungen, gehört haben und mag gleichfalls von Burmeister gefertigt worden sein. Im Jahre 1743 lieferte er der Kirche zu Hennstedt in Norderdithmarschen für 700 Mark einen neuen Altar, der dem in Eddelak durchaus verwandt ist, doch ist an Stelle der hier eingebauten Kanzel dort eine Kreuzgruppe getreten; in den seitlichen Interkolumnien standen wie in Eddelak „Hoffnung“ und „Glaube“. Vor reichlich 20 Jahren hat man diese Figuren auf das Hauptgesims und die beiden Nebenfiguren der mittelalterlichen Triumphkreuzgruppe (aus der Zeit um 1520) an ihre Stelle gesetzt. So verdienstlich es war, diese beiden Bildwerke vom Boden zu holen, so krampft sich doch einem das Herz, wenn man sieht, wie im Altar nun Maria und Johannes doppelt nebeneinanderstehen, die kleinen plumpen Geschöpfe Burmeisters, die leider Gottes den Barock von 1743 vertreten, und die höheren, anmutigen Gestalten eines „spätgotischen Barocks“, von der traurigen Vermalung des Gesamten nicht zu reden.

Burmeister hat den Altar vertragsgemäß zu Michaelis fertiggestellt, nach genau einem Vierteljahr. Am 5. Dezember haben die Kirchenvorsteher „selbigen nach dem darüber errichteten Accord und Riss examiniret und befunden, daß es mit der Hauptstructur seine Richtigkeit hätte, was aber die Bilder anlanget, so müßten selbige noch zierlicher und bestmöglichst nach Proportion der Weßlingbuhrener (soll heißen: am Wesselburener Altar) eingerichtet werden, und wenn solches geschehen, behalten sich Vorstehers die abermahlige Besichtigung vor.“ Diese fand am 5. März 1744 statt, und es heißt jetzt, daß der Altar „in Ansehung des Preises, wofür selbiger verfertiget worden, nunmehro vor guth erkannt und aufgenommen.“ Im gleichen Jahre hat Burmeister dann für die durch Johann Hinrich Klapmeyer in Krempe umgebaute Hennstedter Orgel noch Schmuckteile zum Prospekt geliefert.

Es ehrt die Hennstedter, wenn sie an Burmeisters Figuren keinen Gefallen fanden, und mit der Beziehung auf Wesselburen hat es seine Richtigkeit. Der Hennstedter Altar ist eine minderwertige Wiederholung seines Wesselburener Vorbildes, und dasselbe gilt, mit der Abwandlung zum Kanzelaltar, von dem Vorläufer in Eddelak. Der Wesselburener Altar aber, ein schönes und wirklich barockes Werk, stammt nicht von Burmeister, wie die Sage meinte, sondern kam, wie schriftlich niedergelegt ist, aus Lübeck, und sein Meister kann nur Hieronymus Hassenberg gewesen sein.

Hassenberg aber lehnte sich in seinem Holzaltar für Wesselburen an den prunkvollen Marmoraltar der Lübecker Marienkirche an, den der Niederländer Thomas Quellinus 1697/98 geschaffen hatte, und der in der schauerlich verödeten Kirche mit geringeren Beschädigungen erhalten geblieben ist. Dem Thomas Quellinus selber ist in Dithmarschen das Holz-Marmorepitaph zuzuschreiben, das der Landschreiber Stephan Klotz 1697 in der Kirche zu Meldorf setzen ließ. In diesen Werken bezeugt sich abklingend noch einmal die Bedeutung Lübecks für die Versorgung Schleswig-Holsteins mit Werken der bildenden Kunst, vom Mittelalter an bis in die Barockzeit.

Darin hatte ihm jedoch Hamburg zu jener Zeit schon den Rang abgelaufen. Burmeister selber kam ja aus der Stadt der „Hamburger Schapps“ und wird seine Kunst dort erlernt haben. Was aber in Dithmarschen an Kirchenausstattung barock heißt, ist größtenteils einfach hamburgisch. Nachweislieh sind in Neuenkirchen bei der Erneuerung der Kirche nach dem Brande von 1704 Altar und Kanzel, durchaus reizvolle Werke, aus Hamburg gekommen, in Brunsbüttel sind Kanzel und Königsstuhl 1724/25 von dem Bildhauer Hans Eckermann und dem Tischler Haus Reyer in Hamburg geliefert worden. Manches andere muß hamburgischen Werkstätten zugeschrieben werden, der reichlich trockene Klotzaltar von 1695 in Meldurf, der wirklich von barockem Hauen beseelte von 1699 in Heide, welcher in der Gegend von Cuxhaven nächste Verwandte hat, die Reste des Marner Barockaltars (um 1739), die Kanzel in Wesselburen, die 1738 von ihrem Stifter Hauptpastor von Somm, einem hamburgischen Kaufsmannssohn, eingeweiht wurde, desgleichen die dortige Taufe und der Taufdeckel in Meldorf von 1688, endlich die schöne 1697 gestiftete Kreuzgruppe in Hemme, in welcher noch einmal etwas von gotischer Empfindung auflebt.

Der häßliche Altar und der schöne Kruzifix

Zum barocken Gesamt der Kircheneinrichtung haben die abgebauten Seitenbühnen ohne Zweifel ebenso gehört wie alles übrige. Zusammen mit dem westlichen „Lektor“ umrahmten sie das Bodengestühl und setzten den eigentlichen Gemeinderaum gegen den Altarraum ab, der durch eine zweite geschlossene Gruppe, Kanzelaltar und flankierendes Gestühl, namentlich die mit ihm verbundenen „hohen Stühle“, betont war. Die Langemporen leiteten auf den Altarraum hin – von einem „Chor“ im alten Sinne ist nicht mehr zu sprechen – und stellten eine Verbindung her, die heute fehlt. Im Einzelnen mögen sie später verändert worden sein; vermutlich trugen sie auch längs den Wänden urspünglich Balustraden, wie man sie noch auf der Singbühne sieht, statt der dichten Verschalungen. Aber sie sind nicht mehr da, und man muß sie verschmerzen.

Schwieriger ist die Beurteilung des Kanzelaltars, der an sich wiederum dem protestantischen Bedürfnis, Predigt und Predigtstuhl in die Mitte des Gottesdienstes und des gottesdienstlichen Raumes zu stellen, in barock-rationalistischem und norddeutschem Sinne die folgerichtigste Lösung darbietet, wenn man es auch als unschön empfinden mag, daß damit die Füße des Predigers über den Altartisch gestellt werden. Im Falle Eddelak kommt noch hinzu, daß die Burmeistersche Leistung keineswegs reine Freude auslöst. Das Gebäude und sein Ornament gehen an, abgesehen von dem schwunglos-steifen oberen „Auszug“. Aber die Figuren, die beiden Frauengestalten unten, die „Hoffnung“ und „Glaube“ verkörpern sollen, die Engel mit Leidenswerkzeugen auf dem Gesims, teils liliputanisch, teils lebensgroß, der Auferstehende dahinter, der Posaunenengel ganz oben – sie sind wirklich schlecht, in der Nähe unerträglich, besonders deshalb, weil das Gesamtgebilde mit dem Anspruch auftritt, Eindruck zu machen. Burmeister hätte bei seiner Tischlerei bleiben sollen; er war kein Bildschnitzer.

Bei freier, grundsätzlicher Entscheidung ergäben sich drei Möglichkeiten, Wandel, Besserung ja Bereicherung zu schaffen, nämlich den Kanzelaltar in seiner Gesamtheit hinwegzuräumen, Kanzel und Figuren auszubauen, endlich wenigstens die Figuren zu entfernen. Das könnte sogar ohne erhebliche Kosten geschehen. Dabei wäre in allen Fällen der mehrfach besprochene Kruzifix wieder zu Ehren zu bringen, ja, es ließe sich denken, daß aus den Beständen des Landesmuseums zwei verwaiste Nebenfiguren einer Kreuzgruppe – aus altem Bestände, ohne Herkunftsnachweis – für diesen Zweck zur Verfügung gestellt würden. Eine solche grundstürzende Veränderung hat jedoch aus verschiedenen Gründen kaum Aussicht auf Verwirklichung, obwohl sie meines Wissens erwogen worden ist, und so erübrigt es sich hier, Einzelheiten zu erörtern.

Anders steht es mit dem Kruzifix. Es handelt sich nicht nur um das einzige wirkliche Kunstwerk, das die Kirche besitzt, sondern darüber hinaus um den schönsten und edelsten Kruzifix des späten Mittelalters auf schleswig-holsteinischem Boden. Er gehört in die reife Dürerzeit, um 1520, und man denkt an die herbe Leidenschaftlichkeit in den Gekreuzigten des Veit Stoß, an die erhöhte Menschlichkeit der Gestalt Backofens in Mainz, wo das Lendentuch eine ähnliche Schürzung zeigt, ohne daß mit diesen Hinweisen eine unmittelbar schulmäßige Abhängigkeit seines Meisters behauptet werden sollte. Gewiß zeigt er sich berührt von dem Kraftstrom der führenden oberdeutschen Kunst. Aber das Pathos süddeutschen Empfindens ist hier zu norddeutscher Gehaltenheit gebändigt, ohne Einbuße an eindrücklich geprägter Form. Ganz fern steht der langweilige Brüggemann, der nur durch die List der Lichtbildnerei zu erneuter Überschätzung gelangt ist. Das Werk steht in Nordelbien auch stilistisch allein. Aus gleicher Werkstatt stammt augenscheinlich die Kreuzgruppe in dem abgelegenen mecklenburgischen Dörfchen Kraak zwischen Schwerin und Hagenow. Ich urteile nicht nach Lichtbildern allein; ich habe einen Tag einsamer Radfahrt während des Krieges daran gewandt, mich zu überzeugen. Die in Kraak erhaltenen Nebenfiguren zeigen in der Tat, wie man festgestellt hat, etwas von der Bewegtheit des Lübeckers Klaus Berg; doch hat die Gruppe andererseits mit dem in Kraak vorhandenen Altar, der in die Klaus-Berg-Nachfolge gehört, nichts zu tun. Auch der Kruzifixus – im Vergleich mit Eddelak eine schwächere Leistung – hat kaum etwas „Bergisches“ in sich. Hinter diesen Werken steht ein hervorragender, eigenwilliger Meister. Ich setze seine Werkstatt mit guten Gründen nach Hamburg, dessen künstlerischer Strahlungsbereich schon im Mittelalter die schleswig-holsteinische Westküste bis weit hinauf eingeschlossen hat.

Der Eddelaker Kruzifix muß wieder einem formalen Gesamt eingeordnet und einer neuen sinnhaften Bestimmung zugeführt werden. Eine letzte, schöne Möglichkeit ist die, ihn – wandfest – in den Mittelpunkt einer künftigen Ehrung der gefallenen Soldaten zu stellen. Ähnliches läßt sich in manchen schleswig-holsteinischen Kirchen verwirklichen, und Gleiches gilt von den schönen Bildwerken der Marienklage, die hier und da entstellt und entfremdet bewahrt sind, etwa zu St. Annen oder Ostenfeld.

Quelle: Website der Kirche


Die Kirche

St. Marien-Kirche
Norderstraße, 25715 Eddelak (HEI)

Als eigenständiges Kirchspiel wird Eddelak erstmals 1281 erwähnt. Neubau aus dem Jahr 1740 durch den Baumeister Johann Georg Schott, der viele Kirche in Dithmarschen entworfen hat.

Weitere Informationen (extern):Website

Nordkirche     Kirchenkreis Dithmarschen     Kirchengemeinde Eddelak     Eddelak, St.-Marien-Kirche    


Routenplaner: 53.94633, 9.13713


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